Einladung zur Ausstellung
17.11.2022 bis 12.02.2023
Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, 10713 Berlin
Kuratiert von Rebekka Liebmann
Trotz beständiger Aktivitäten und gesetzlicher Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf, damit Menschen qua Geschlecht nicht länger von struktureller
Benachteiligung betroffen sind. Schon die Existenz eines Bundesgremienbesetzungsgesetzes, das Transparenz und Fortschritte des Bundes über die Besetzung seiner Gremien mit Frauen und Männern
abbilden soll, gibt Aufschluss darüber, an welchem Punkt die (binäre) Gleichstellung derzeit steht.
In der Kunst gibt es solche gesetzlichen Festlegungen zur Höhe des Frauenanteils für eine gleichberechtigte Teilhabe bekanntlich nicht, weshalb die Sichtbarkeit von Künstlerinnen in öffentlichen
Museen und Sammlungen noch immer desolat und der Gender-Pay-Gap in der Kunst wie vielerorts evident ist. Derlei Tatsachen betreffen nahezu alle Künstlerinnen und nicht wenige, die sich gar nicht
mal explizit an feministischen Themen abarbeiten, setzen sich im Laufe ihres künstlerischen Schaffens - gezielt oder unwillkürlich - mit den essenziellen Schieflagen, die Frauen aufgrund ihrer
bewussten und andauernden Nicht-Gleichstellung erleben, auseinander.
Diese Begebenheit als Ausgangspunkt betrachtend, versammelt die Ausstellung It’s a «She Thing» acht Berliner Künstlerinnen des Frauenmuseum Berlin und präsentiert deren Perspektiven auf
vergangene bis aktuelle frauen- und genderimmanente Fragen. In einer Art Umschau durch die vergangenen 100 Jahre mit einem Exkurs in die Renaissance werden Missstände und Handlungsbedarfe,
kurzweilige Erfolge und Erwartungshaltungen verhandelt und einige der vielfältigen Möglichkeiten des aktuellen Diskurses um Diversity, Identitätspolitik und Selbstermächtigung skizziert.
Ulrike Dornis
Andrea Golla
Rachel Kohn
Verena Kyselka
Susanne Piotter
Zuzanna Schmukalla
Anja Sonnenburg
Sibylla Weisweiler
Malerei/Zeichnung
Textile Kunst
Skulptur/Installation Videoinstallation,
Installation/Objekt
Malerei
Zeichnung
Malerei
Ulrike Dornis dekonstruiert mittels weiblichem Reenactment das ikonographische, männlich geprägte historische Bildgedächtnis und befreit auf ihren großen Pastellzeichnungen die tradierten Posen der Alten Meister*innen mit Hilfe weiblicher Modelle in neuartigen Bewegungssequenzen.
Die Angst vor Konkurrenz sorgte dafür, dass die gerade erst zugelassenen Frauen ihr Studium ab 1920 am Bauhaus ausschließlich in der «Webereiklasse» absolvieren durften. Verena Kyselkas Installation ist eine Hommage an die Künstlerinnen jener Klasse und ihr beharrliches Schaffen in einer überaus männerbündischen Künstler-Sphäre.
Virginia Woolfs Sehnsucht nach «Einem Zimmer für sich allein», dem 1929 erschienen Essay, bildet die Grundlage von Anja Sonnenburgs Arbeit. Größtenteils rot übermalt, ergeben die freistehenden Worte der 150seitigen Reclamausgabe verbunden durch weiße Linien eine Gedankenlandkarte, die zum mentalen flanieren auffordert.
Rachel Kohns figurative Keramik-Skulpturen sind eine Reflexion auf tradierte Rollenbilder und Erwartungshaltungen und erzählen von den alltäglichen Sorgen und Lasten weiblicher Lebenswelten, begleitet vom Verlangen nach Veränderung. Sie mahnen: In puncto Gleichstellung besteht nach wie vor Handlungsbedarf!
Die wilden Strukturen der Natur dienen Sibylla Weisweiler als Ausbruch aus unliebsamen Zuständen und festgefahrenen, frustrierenden und gesellschaftlich normierten Anforderungen an Frauen. Ihre Gedankenwälder sprengen den Mental Load und lassen den Alltag durch die überlagerten verflochtenen Verästelungen hinter sich.
Über lange Zeiträume verknüpft Andrea Golla Strümpfe und Strumpfhosen Anderer zu textilen Arbeiten, deren Inhalte wahrlich in Auflösung begriffen sind: Unermüdlich verwirft sich das ornamentale «SEXES» Zeile für Zeile selbst und eröffnet den Blick jenseits binärer Codes. Ein Lewis-Carrol-Zitat kann - muss aber nicht - dechiffriert werden, um den offensichtlichen Sinn hinter den Worten zu begreifen.
Zuzanna Schmukallas informelle Malerei zeigt starke Analogien zur aktuellen Genderdebatte: beide lösen sich von ihren kulturellen Wurzeln und eröffnen individuelle Freiheiten in der Kunst der Nicht-Form/-Angepasstheit. Mit der Aufhebung von bestehenden (binären) Strukturen wird Diversität möglich.
«Bitch» und «Slut» - offenkundige Beleidigungen von Frauen -, prangen in großen, gegossenen Betonlettern an der Wand. Susanne Piotters Arbeiten sind eine Referenz an Rap-Künstlerinnen, die sich der negativen Zuschreibungen entledigt, sie umgekehrt haben und als Selbstzuschreibung ostentativ für sich nutzen.